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Sie nennt sich magisch Praktizierende und postet Movies unter dem Hashtag Witchtok: Stefanie E. ist eine Hexe der neuen Technology. Mit spirituellen Ritualen verdienen diese ihr Geld – und heilen sich damit selbst.
Als Stefanie E. ihre Wohnungstüre öffnet, steigt der Duft von Kerzenwachs und Rauch in die Nase. Der Tisch im Wohnzimmer ist mit Tarotkarten, Steinen und Amuletten geschmückt – Dinge, die mit Magie und Zauber in Verbindung gebracht werden und vor allem auf Tiktok unter #Witchtok zu finden sind.
Als Amila Redzic, Host von SRF «Affect», bei Stefanie E. in der Wohnung ankommt, schlägt die 29-Jährige eine Ei-Reinigung vor: «Die spirituelle Reinigung funktioniert so: Wir lassen das Ei über unsere Energien gleiten und können danach im Wasser ablesen, was bei den Menschen vorgeht.» Indem Salz in das Wasserglas gestreut und dann die Toilette heruntergespült werde, könnten Blockaden eliminiert werden.
Stefanie E. legt Tarotkarten, selbst gemachte Steine und verkauft Amulette. «On-line funktionieren die Legungen quick noch besser», meint sie. Denn die Energien seien ihr manchmal Angesicht zu Angesicht quick zu intensiv.
Ich bin wie ein offener Draht. Wenn ich irgendwo ankomme, kann ich mich damit verbinden und es durch mich durchfliessen lassen.
Sie sei sehr empfindlich auf Energien. Es gäbe Energien, die aufeinander reagieren. Weiter erklärt Stefanie: «Ich bin wie ein offener Draht. Wenn ich irgendwo ankomme, kann ich mich damit verbinden und es durch mich durchfliessen lassen. Viele haben dieses Gespür einfach verlernt.»
Die junge Hexe beschränke sich auf Reinigungen und Trennungsritualen von Fremdenergien wie missbräuchliche Beziehungen. Schutz mache sie auch sehr gerne. «Ich nehme keine Fälle an, die zu einem Psychiater müssten. Dafür bin ich nicht ausgebildet. Ich spreche das dann sensibel an, dass die Individual dahin soll.»
Gewisse Menschen kämen immer wieder zu ihr und würden auch eine Artwork Sucht entwickeln: «Wenn jemand drei Lesungen haben möchte und immer wieder über dasselbe sprechen will, sage ich ihr, dass sie die Antworten bereits bekommen hat.»
Ihr sei es wichtig, den Bezug zur Realität nicht zu verlieren und den Kontakt mit ihren Freunden und Familie aufrechtzuerhalten. «Ich sitze nicht den ganzen Tag hier und mache Rituale. Ich setze mir Grenzen und genau so auch meinen Kundinnen und Kunden.»
Hexenrituale zur Selbstheilung
Die Religionswissenschaftlerin Sarah Perez und der Religionswissenschaftler Bastiaan Van Rijn forschen zu Religionen im Web und zu alternativer Spiritualität. Stefanie E. zeige sich ganz klassisch auf ihren Tiktok-Movies, so wie es die Doktoranden aus ihrer Forschung kennen würden.
«Der grösste Unterschied zwischen der Hexe heute und der Hexe von früher ist, dass es jetzt eine Selbstbezeichnung ist», sagt Van Rijn. «Noch vor 500 Jahren während der Hexenverfolgung wurden die Menschen von anderen als Hexen benannt.» Bei den modernen Hexen sei der Einfluss nicht unbedingt nur klassisch historisch, sondern es würden auch viele esoterische Praktiken und spirituelle Bewegungen einfliessen.
Es bestehe ein Zusammenhang zwischen Selbstfürsorge und den Movies dieser magischen Praktiken, führt Van Rijn aus. «Die Hexen führen Rituale durch, um sich besser zu fühlen oder um Stress zu reduzieren.»
Gemäss der Religionswissenschaftlerin ist nicht jede Hexe politisch. «Aber es geht oftmals darum, die Weiblichkeit hervorzuheben», sagt Perez. Die Hexe eigne sich als Figur für die feministische Bewegung intestine, weil sie so verurteilt wurde. «Viele Anhängerinnen dieser Bewegung sehen die damalige Hexenverfolgung auch als Femizid an und äussern sich dazu.»