Die Zahl der eingegangenen Beschwerden beim Versicherungs-Ombudsmann hat im vergangenen Jahr kräftig zugelegt. Insgesamt wurden an die als selbstständiger Verein organisierte Verbraucherschlichtungsstelle 18.037 Eingaben gerichtet, eine Zunahme um 13,4 Prozent zum Jahr 2022. Das geht aus dem gestern veröffentlichten Jahresbericht hervor, der letztmalig von Wilhelm Schluckebier vorgestellt wurde. Neue Ombudsfrau ist bereits seit April die ehemalige Richterin des Bundesverfassungsgerichts, Sibylle Kessal-Wulf.
Deutlicher Zuwachs an Beschwerden
Zulässig waren 13.205 Beschwerden. Gegenüber dem Jahr 2022 bedeutet das einen Anstieg um 11,0 Prozent. Noch größer battle jedoch der Zuwachs bei den unzulässigen Beschwerden. Sie stiegen um 22,9 Prozent auf 3.896. Mit dem Anstieg liegt die Anzahl der Beschwerden wieder auf dem Niveau der Vor-Corona-Jahre. 2022 hatte es pandemiebedingt einen Rückgang gegeben.
Die Erfolgsquote zulässiger Beschwerden über Unternehmen, die quick alle Eingaben der Gesamtstatistik ausmachen, lag über alle Sparten ohne die Lebensversicherung bei 50,8 Prozent und ist damit nochmals angestiegen (2022: 48,5 Prozent). Die separat ausgewiesene Lebensversicherung erreichte 35,0 Prozent. Auch hier gab es einen leichten Anstieg. Insgesamt dauerten die Verfahren der zulässigen Beschwerden von der Zeit des Beschwerdeeingangs bis zur Klärung im Schnitt 2,4 Monate.
Unfall- und Kfz-Sparten mit stärkstem prozentualem Zuwachs
Die Zunahme von Schlichtungsanträgen betraf quick alle Sparten, wobei die Personal Kranken- und Pflegeversicherung nicht in den Zuständigkeitsbereich der Schlichtungsstelle fallen. Besonders starke Zuwächse verzeichneten bei den zulässigen Beschwerden die Kfz-Versicherungen (Haftpflicht plus 27 Prozent, Kfz-Kasko plus 30 Prozent) und – auf allerdings niedrigerem Gesamtniveau – die Unfallversicherung (plus 39,3 Prozent). Den Zuwachs in der Kfz-Sparte erklärt Schluckebier mit den häufigeren Wechseln der Versicherer. Diese hätten viele Unklarheiten im Zusammenhang mit der Einstufung in Schadenfreiheitsklassen und der Übertragung der Einstufung auf einen nächsten Versicherer zur Folge.
Rückläufig waren die Zahlen dagegen nur in einer Sparte. In der Wohngebäudeversicherung gab es einen Rückgang um 13,9 Prozent. Hier waren in den Jahren 2021 und 2022 starke Sondereffekte am Werk, die im vergangenen Jahr keine Auswirkung mehr auf das Beschwerdeniveau hatten, so der scheidende Ombudsmann.
Zahlenmäßig bleibt weiterhin die Lebensversicherung mit 2.915 Fällen der Spitzenreiter unter den Beschwerden. Wie auch im vergangenen Jahr standen in dieser Sparte die Fälle des Widerspruchs oder des Widerrufs von Lebens- und Rentenversicherungsverträgen im Fokus der Beschwerdebearbeitung. Zudem traten 2023 auch erstmals Beanstandungen an den Abschlusskosten für die im Anschluss an Riester-Sparplänen von Banken oder Sparkassen abgeschlossenen Rentenversicherungsverträgen auf. Hier beanstandeten Verbraucher vor allem die zu Beginn der Auszahlungsphase als sehr hoch empfundenen Abschlusskosten.
Mehr strittige Rechtsschutzfälle durch Datenlecks und Phishing
In der Rechtsschutzversicherung verlangten Nutzer von Social-Media-Plattformen häufiger Rechtsschutzdeckung für die Geltendmachung von Schadenersatz-, Unterlassungs- und Auskunftsansprüchen, nachdem es bei den Plattformbetreibern zu Datenlecks gekommen und ihre persönlichen Daten in fremde Hände geraten waren. Stark zugenommen haben laut Jahresbericht erneut Beschwerden in sogenannten Phishing-Fällen. Den immer raffinierteren Methoden der Täter würden ältere Versicherungsbedingungen mit ihrer Beschreibung des Leistungsumfangs und der Formulierung von Ausschlussklauseln oft nicht gerecht werden.
Kaum eine Rolle spielen weiterhin Beschwerden über Vermittler mit 318 Fällen. Nach einem drastischen Anstieg 2021 sank die Zahl erneut und erreichte mittlerweile ihr ehemaliges Niveau. Konkret gingen die Beschwerden 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 28,4 Prozent zurück. Bemerkenswert dabei ist, dass mit 153 sogar mehr Beschwerden unzulässig waren als zulässig (152).
BVK wertet Vermittler-Zahlen als Bestätigung eigener Positionen
Für den Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) ist das eine erfreuliche Entwicklung. Der Rückgang sei vor dem Hintergrund des insgesamt gestiegenen Beschwerdeaufkommens umso erstaunlicher. „Die Zahlen zeigen auch eindrucksvoll, dass wiederkehrende Forderungen für eine noch strengere Regulierung und Aufsicht für Vermittler keine Datengrundlage haben“, sagt BVK-Präsident Michael H. Heinz. Ein Satz, den man so ähnlich jedes Jahr zur Veröffentlichung des Berichts von ihm hört.